22 Okt 2021

Ökonomischer Nutzen von Unternehmenskultur

Kürzlich wurde ich gefragt, wie man den Nutzen von Investitionen in die Unternehmenskultur ökonomisch bewerten kann.
Das wäre in der Tat nobelpreisverdächtig: Eine Formel (oder ein Algorithmus), die (der) den ökonomischen Nutzen, die Wirtschaftlichkeit einer Investition in Unternehmenskultur einfach berechnet. Und den ROI gleich mit ausweist. Doch diese Formel gibt es nicht. Die Entscheidung „Ja, machen wir“, die der Investition in Unternehmenskultur vorausgeht, fällt wie alle Investitionen unter Unsicherheit. An dieser grundsätzlichen Unsicherheit ändern auch die positiven Erwartungen nichts, die ein „Ja“ letztlich auslösen. Der angestrebte Erfolg liegt in der Zukunft. Auch die Glaskugel, die die Zukunft vorhersagt, wurde noch nicht erfunden.

In diesem Licht betrachtet, befinden sich Investitionen in Unternehmenskultur in guter Gesellschaft. Jede Investition, beispielsweise in eine neue Maschine, unterliegt eben dieser Unsicherheit. Es werden Erwartungen in die Maschine gesetzt, z. B. Steigerung der Produktivität, die dann bitte auch eintreffen sollen. Damit die Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgeht. Im Unterschied zum menschlichen Verhalten mag das Verhalten einer Maschine besser vorhersehbar sein. Aber was, wenn der Markt einbricht und die Maschine nicht den Break-Even-Point erreicht? Und macht eine Maschine gleich den ganzen Prozess aus, den es eigentlich zu verbessern gilt?

Frage nach dem ökonomischen Nutzen ist nachvollziehbar

Dennoch bleibt es nachvollziehbar wünschenswert, zu wissen, was die Investition in Unternehmenskultur „bringt“. Die häufig zitierte Unterhaltung zwischen einem CEO und einem CFO weist dabei einen Weg:

CFO zum CEO: „Was, wenn wir unsere Mitarbeitenden qualifizieren, und sie verlassen uns dann?“
CEO zum CFO: „Und was, wenn wir es nicht tun und unsere Mitarbeitenden bleiben?“

Der CEO bringt mit seiner Gegenfrage den bekannten Ansatz der Opportunitätskosten ins Spiel. Opportunitätskosten entstehen, wenn ich durch die Entscheidung für eine Investition auf den Nutzen einer alternativen Investition verzichten muss. Berühmtestes Beispiel: Anstatt in eine Maschine zu investieren, kann ich auch in eine rentable Kapitalanlage investieren. Die Erträge der Kapitalanlage schmälern den Nutzen der Investition. Sind die Zinsen sehr hoch, unterbleibt die Investition.

Opportunitätskosten des Nichtstuns

Im Falle von Investitionen in Unternehmenskultur geht es um die Opportunitätskosten des Nichtstuns: Es sind dann die Kosten, die ich weiterhin tragen muss, wenn ich NICHT in Unternehmenskultur investiere.

Ohne Annahmen und Erwartungen geht es auch hier (wie bei jeder Investition) nicht. Jedoch ist es plausibel und durch zahlreiche Studien und Beispiele belegbar: Unternehmenskultur hat Einfluss auf messbare, kostenrelevante Faktoren im Unternehmen. Sie kann sich auswirken auf Fehlzeiten und Lohnfortzahlungskosten, Fluktuationsquoten, Rekrutierungskosten und die Stellung als Arbeitgeber im Arbeitsmarkt. Neben diesen personalwirtschaftlichen Aspekten sind auch prozessbezogene Auswirkungen plausibel: Hohe Ausschussquoten, lange Durchlaufzeiten, Qualitätsprobleme oder zähe Entscheidungsprozesse, die sich schnell auf die Zufriedenheit der Kunden und das Renommee des Unternehmens negativ auswirken.
Diese Opportunitätskosten werden somit greifbar und lassen sich den Kosten einer Investition in Unternehmenskultur gegenüberstellen. Es lässt sich darüber streiten, inwieweit diese Opportunitätskosten monokausal auf die vorhandene Unternehmenskultur zurückzuführen sind. So kann man aber auch bei jeder Marketingaktion argumentieren: Was war Glück, was war Pech, was war Können?

Können ist Wollen und Gestalten

Das Können jedoch setzt stark auf das Wollen. Anstatt am Kapitalmarkt zu investieren, wird meist doch in die Maschine investiert, um das Unternehmen weiterzuführen. Auch wenn die Opportunitätskosten bekannt sind und dagegen sprechen. Und damit den Weg aus der rein betriebswirtschaftlichen Sichtweise ebnen. „Aus Freude am Fahren“ werden Dienstwagen besser ausgestattet, als es der reine Personentransport erfordern würde. „Aus Spaß am miteinander Arbeiten und erfolgreich sein“ könnte in die Gestaltung und Entwicklung der Unternehmenskultur investiert werden.