07 Okt 2021

Zum Beispiel: Vertrauensbildung in der Politik

„It takes two to Tango“ sagt ein englisches Sprichwort und meint (auch), dass meist die Dame absolutes Vertrauen in ihren Partner haben muss, wenn sie sich rückwärts in den Arm ihres Tanzpartners fallen lässt. Nicht auszudenken, wenn ihr Tanzpartner sie – und sei es nur zum „Spaß“ –auch nur einmal fallen lassen würde. Es würde die Vertrauensbasis zerstören und mit einem (harten Auf-)Schlag das Paar auf dem Weg zu einer tänzerischen Einheit weit zurückwerfen.

Ebenfalls gut zu illustrieren ist dies an dem gegenwärtigen Prozess, in dem sich aktuell, nach der Bundestagswahl 2021, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP befinden. Dem Vernehmen nach wurde zwischen beiden Parteien absolute Vertraulichkeit über die ersten Annährungs- und Sondierungsgespräche vereinbart. Nichts soll nach außen, insbesondere die Medien, aus den Gesprächen, „durchgestochen“ werden.

Das erscheint irgendwie neu und illusorisch. Der politisch interessierte Beobachtende neigt wohl eher zu der Erwartung, dass dieses zarte Pflänzchen „Vertrauen“ wohl kaum zum soliden Baum entwickeln wird. Und fühlt sich gleich bestätigt. Denn die weitaus vertrautere Praxis scheint die zu sein, die (den Medien zufolge) die CDU nach dem ersten Sondierungsgespräch mit der FDP an den Tag legt: Es dringt halt doch etwas nach außen und bestätigt den skeptischen Politbeobachter, dass es mit Vertrauen in der Politik doch nicht weit her ist und wohl nie weit kommen kann. Obwohl die Vorsitzenden von Grünen und FDP spürbar darum bemüht sind, ihre öffentlichen Äußerungen von jedem Wort freizuhalten, dass einen Vertrauensbruch auch nur leisest andeuten könnte, liegt die Spannung unterm Strich dann doch in der Frage: Wie lange halten die das durch.

Unabhängig davon, ob Sie sich nun zu den Skeptikern oder den Hoffnungsvollen zählen: das Beispiel eignet sich zumindest als Ausgangspunkt für ein Gedankenspiel darüber, wie Vertrauen entwickelt werden kann.

Angenommen, die Wahlgewinner SPD, Grüne und FDP meinen es wirklich ernst damit, was sie im Wahlkampf versprochen haben: Die Einführung und Umsetzung einer zukunftsorientierten, sozial gerechten, wachstumsfördernden, ökologischen und klimaverbessernden Politik. Dann stehen diese Parteien, sollten sie sich am Ende der Sondierungen und Koalitionsverhandlungen in einer Ampelkoalition wiederfinden, erst am Anfang eines gewaltigen Veränderungsprozesses. Dafür werden sie sowohl untereinander als auch bei ihren Wählern jede Menge Vertrauen benötigen.
Nicht nur für den Politikbetrieb, sondern auch für jeden anderen Lebensbereich lassen sich die wesentlichen Schritte ableiten, die auf dem Weg in eine Vertrauenskultur zu tun sind.

„It takes two to Tango“: Zunächst müssen alle Parteien den Willen, aber auch den Mut haben, sich gegenseitig zu vertrauen. Um im Beispiel der „Citrus“-Parteien Grüne und FDP zu bleiben: Trotz aller Differenzen, die im Wahlkampf und in den Parteiprogrammen hervorgehoben wurden und dokumentiert sind, erfordert es das grundsätzliche Einverständnis, sich gegenseitig vertrauen zu wollen. Dazu hilft die Bereitschaft,

den „Reset“-Knopf zu drücken und die Vergangenheit bewusst hinter sich lassen zu wollen. Das allein ist schon eine große Aufgabe, denn es verlangt von jede(r)m Beteiligten, seine/ihre bisherigen Überzeugungen, Erfahrungen und Erwartungen bezüglich den anderen Beteiligten bewusst und möglichst ohne Vorbehalte hintanzustellen. Es gilt, zunächst einfach an eine gemeinsame Vertrauensbasis zu glauben und diese Vertrauensbasis herstellen zu wollen.

Des Weiteren gilt es, an die Stelle der Vergangenheit mit den erwähnten vertrauensstörenden, eher misstrauensfördernden Faktoren ein Bild von der Zukunft zu setzen. Das Bild der Zukunft äußert sich in einer klaren, von allen akzeptierten und für anstrebenswert Vision davon, was erreicht werden soll. Um auch hier im Koalitionsbeispiel zu bleiben: Zu einem nicht allzu weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt X haben sich die CO2-Emissionen um den gewünschten Umfang reduziert, der technische Fortschritt hat dazu einen wesentlichen (exportfähigen) Beitrag geleistet und die Schere zwischen Arm und Reich hat sich spürbar geschlossen. Dieses Bild von der Zukunft sollte so grell strahlen, das keine Schatten der Vergangenheit mehr die Möglichkeit haben, das Bild der Zukunft zu verdunkeln.

Mit diesen Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit kann die Arbeit beginnen. Es ist erst der Anfang. Das zarte Pflänzchen „Vertrauen“ muss gehegt und gepflegt werden. Jede vertrauensbildende und -fördernde Maßnahme ist Nahrung und Dünger, jeder Verstoß wirkt wie ein Flammenwerfer, der das Pflänzchen vernichtet und, insbesondere am Anfang, nichts als verbrannte Erde hinterlässt. Die Dauer, Reputation in Sachen Vertrauen und Verlässlichkeit aufzubauen, überschreitet absehbar die Dauer der neuen Legislaturperiode. Für die Zerstörung dieses Vertrauens bedarf es jedoch nur geringer Anstrengungen.

Dünger und wachstumsfördernde Faktoren werden also benötigt, um aus dem Pflänzchen einen Baum entstehen zu lassen, der zunehmend auch resistent gegen (sparsam dosierte) Flammenwerfer ist. Als vertrauensbildende Düngemittel sind zu empfehlen:

  • Durch die Bereitschaft, einander zu vertrauen, den Blick auf die Zukunft zu richten und eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Ziel zu erreichen, entsteht bereits ein Wir-Gefühl und eine gemeinsam empfundene Verantwortung. Dieses Wir-Gefühl gilt es zu kultivieren, insbesondere mit einer intensiven Kommunikation und Zusammenarbeit. Diskussionen bleiben nicht aus, werden jedoch ausnahmslos über den Weg zum Ziel geführt, verschiedene Wege stets im Hinblick darauf geprüft, wie effizient und effektiv sie der Zielerreichung führen.
  • Kollaboration und Kooperation sind nicht nur tief im Wesen des Menschen verankert, sondern sind die Voraussetzung für Kompromissfähigkeit und gegenseitiges, abwechselndes Geben und Nehmen.
  • Durch das Wirgefühl wird das Bedürfnis eines jeden Beteiligten nach Sicherheit befriedigt. Mit der Sicherheit, sich auch in kritischen Situationen auf alle anderen verlassen zu können, entsteht ein positiver Umgang mit Fehlern und deren Deutung als Chance, sich verbessern zu können.
  • Durch einen wertschätzenden Umgang miteinander, die Nutzung der jeweiligen Stärken der einzelnen Beteiligten und die Nutzung unterschiedlichen Perspektiven als Quellen neuer Erkenntnisse werden die ersten Meilensteine auf dem Weg zum Ziel und schließlich das Zeil selbst erreicht. Meilensteine und Zielerreichung können dann gemeinsam gefeiert werden.
  • Durch die Einbindung externer Beobachter, Teilhaber und Kritiker in einen transparenten, offenen Entwicklungsprozess der Zielerreichung verlieren Störeinflüsse und Missverständnisse Ansatzpunkte, an dem gesetzten Ziel zu zweifeln oder es anzugreifen. Vielmehr wird das Ziel auch für Außenstehende attraktiv und kann zusätzliche Unterstützung erfahren.

Im generellen Willen zum gemeinsamen Erfolg, erkennbar an authentischer Kommunikation, Handlungsweise und integrem Verhalten vereinen sich die genannten Zutaten zu einem kräftigen Dünger für die Pflanze Vertrauen. So wächst aus einer Pflanze durch gemeinsames Wirken ein Baum, der belastbar genug ist, ihn zu besteigen und nach neuen Herausforderungen, an denen es in Zukunft nicht mangeln wird, Ausschau zu halten.

Vertrauen aufzubauen, zu kultivieren und als Ressource zu nutzen erfordert guten Willen, Mut und Ausdauer. Es ist Teil jener Anstrengungen, die unternommen werden müssen, um Veränderungen zu meistern und Ziele zu erreichen.

Es braucht (mindestens) zwei zum Tango tanzen.

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